Das Vorhaben ist im Süden Sachsen-Anhalts verortet. Eine Region, die seit Jahrzehnten von Transformationsprozessen geprägt ist und die Herausforderungen des Kohleausstiegs aktiv annimmt. Kern der Projektregion sind die Stadt Zeitz und der Burgenlandkreis. Wirtschaftliche Umbrüche, Überalterung der Bevölkerung und die anstehende Schließung von Braunkohlegruben hinterlassen tiefe Risse in der Region und Gesellschaft, die es zu überwinden gilt. Die Region muss sich auf nachhaltige Wirtschaftszweige wie erneuerbare Energien, Tourismus und Technologie konzentrieren. Investitionen in Bildung, kultureller Teilhabe und Infrastruktur sind entscheidend, um
die Lebensqualität zu verbessern und Arbeitsplätze zu schaffen. Das reiche kulturelle und industrielle Erbe von Zeitz bietet vielfältige Möglichkeiten, insbesondere auf dem ehemaligen ZEKIWA-Gelände – der früheren Zeitzer Kinderwagenfabrik, einst die größte ihrer Art in Europa – ein nachhaltiges Modellareal, das NEB-Reallabor, entstehen zu lassen. Das Projekt wird von einer Vielzahl von Akteuren getragen, darunter die Bürgerschaft, Stadtverwaltung, politisch Verantwortliche, Initiativen, Vereine und Institutionen aus Wissenschaft, Bildung, Kunst und Kultur. Ihr gemeinsames Ziel ist es, durch das Reallabor Zekiwa Zeitz (RZZ) einen Wandel im Quartier des ZEKIWA-Areals hin zu – “Bauen, Leben und Arbeiten in der Zukunft” – zu schaffen.
Das gesamte Projekt gliedert sich in fünf Arbeitspakete.
Das Projekt „Reallabor Zekiwa Zeitz“ strebt die Schaffung eines nachhaltigen Modellareals auf dem ehemaligen ZEKIWA-Gelände in Zeitz, Burgenlandkreis, an. Es soll ein Reallabor für zukunftsfähige Energieeffizienz und Kreislaufinnovationen für Bauen, Wohnen und Arbeiten, im Rahmen eines inklusiven Stadtumbaus, sein. Das Ziel ist es, das Reallabor Zekiwa Zeitz zu einem nutzungsoffenen und robusten Modell für ästhetisch vorbildliches und nachhaltiges, zirkuläres und klimaneutrales Bauen in einem Industriedenkmal zu machen. Das Projekt steht im Einklang mit dem Green Deal und den Kriterien des New European Bauhaus und wird als Katalysator für Fragen der Diversität und Inklusion in der
Gesellschaft wirken. Im Projekt RZZ gliedert sich die inhaltliche Arbeit in fünf zentrale Arbeitspakete (AP), an denen verschiedene Verbundpartner mit jeweils klar definierten Zuständigkeiten beteiligt sind.
Im AP1 liegt der Schwerpunkt auf dem Projektmanagement, der Steuerung sowie der übergreifenden Koordination des Vorhabens. Die Hochschule Anhalt (HSA) übernimmt dabei die zentrale Verantwortung für die Administration, das Projektmanagement und die Steuerung des Gesamtprojekts. Auch das Forum Rathenau e. V. ist in diesem Arbeitspaket aktiv und bringt sich insbesondere in den Bereichen Kommunikation sowie in der Entwicklung eines tragfähigen Nutzungs- und Betreiberkonzeptes für das RZZ ein. Ergänzend übernimmt die Stiftung Bauhaus Dessau (SBD) mit der Konzeption eines öffentlich zugänglichen „Raum der Möglichkeiten“ eine gestalterische Komponente zur Attraktivierung des Areals. Dieser Raum soll allen Akteuren auf dem Gelände offenstehen.
Das AP2 hat als Zielsetzung die Einbindung der Zeitzer Bevölkerung in den Stadterneuerungsprozess und der digitalen Teilhabe. Eine der aktuellen Herausforderungen ist, den Strukturwandel im Zeichen des Green Deal als zukunftsgewandten und fortlaufenden Prozess in seiner ganzen Vielfalt positiv in der Gesellschaft zu befördern und zu verankern. Für diesen Wandel bedarf es mehr als nur ökonomischer und technologischer Anreize in den Arbeitswelten und dem Bausektor, denn die Prozesse verlaufen nicht linear. Die HSA ist hier für die Entwicklung einer Bürger:innen-App verantwortlich, die der aktiven Einbindung der Zeitzer Bevölkerung in Stadterneuerungsprozesse per digitaler Abstimmung dient. Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) verantwortet die wissenschaftliche Begleitforschung. Im Rahmen des „NEB-Archivs“ dokumentiert die MLU den Projektverlauf systematisch und stellt Bezüge zu anderen NEB-Initiativen auf europäischer Ebene her. Das Archiv fungiert nicht nur als Dokumentationsort, sondern auch als Plattform und Netzwerk, das Zeitz und das ZEKIWA-Areal zu einem Zentrum für transnationalen Austausch macht. Dabei stehen architektonische Lösungen und regionalentwicklungsbezogene Innovationen im Vordergrund. Die SBD ist mit mehreren bildungsbezogenen Vorhaben in AP2 eingebunden. Sie verantwortet inklusive, generationenübergreifende Bildungsformate an der Schnittstelle zur beruflichen Ausbildung, die in Kooperation mit Schulen, Bildungsträgern und Betrieben umgesetzt werden. Der Ansatz soll 2026 in einem europaweiten Summercamp mit internationalen Hochschulen eine sichtbare Ausstrahlung erhalten. Einen künstlerischen Zugang zur Nachhaltigkeit verfolgt die Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle (BURG) mit der Einrichtung von „Transfer-Residenzen“. Kunstschaffende erhalten hier Raum für co-kreative Ideenentwicklung, die in partizipativen Formaten wie Workshops und Ausstellungen einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden. Ziele sind ästhetisch ansprechende und sozial inklusive Nachhaltigkeitsstrategien für Zeitz.
Im AP3 werden technische Innovationen im Bereich nachhaltiger Materialien, Fassadenlösungen und digitaler Werkzeuge bearbeitet. Die HSA entwickelt in diesem Rahmen alternative Fassadenmaterialien aus Rezyklaten, klimaadaptive Fassadenlösungen sowie vertikale Wildgärten. Ergänzt wird dies durch exemplarische Möbelbau-Innovationen. Außerdem wird eine Materialdatenbank aufgebaut, die in die Bürger:innen-App integriert ist, und ein digitaler Zwilling zur Darstellung möglicher Nutzungsszenarien für das ZEKIWA-Areal entwickelt. Das Forum Rathenau e. V. bringt in diesem Zusammenhang seine Expertise zur Kohlenstoffkreislauf-Strategie des Mitteldeutschen Reviers ein und wirkt an der überregionalen Einbindung des Projekts mit.
Im AP 4 wird das denkmalgeschützte Industriegebäude ZEKIWA aus der Gründerzeit, in Verbindung mit dem ehemaligen Hauptgebäude, modellhaft und schrittweise Revitalisiert. Es fungiert als Anker im Stadtraum und identitätsstiftendes Element in der Zeitzer Unterstadt. Die Bausubstanz wird gesichert, die räumlichen Potenziale werden geprüft und das Gebäude technisch und finanziell realisierbar ertüchtigt und ergänzt. Dieser Prozess wird mit innovativen Ansätzen verbunden und hinterfragt klassische Sanierungs- und Vermarktungsstrategien hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit. Entwickelt werden flexible Um- und Ausbauszenarien für gemischte Nutzungen und robuste Räume, die etablierte und neue Nutzergruppen gleichermaßen ansprechen. Ziel ist ein Paradigmenwechsel hin zu minimalinvasiven Eingriffen mit maximaler Wirkung und größtmöglicher Offenheit für künftige Anforderungen. In der Konzeptphase wurden bereits Low- und HighTech-Lösungen vergleichend geprüft, energie- und TGA-Konzepte entworfen, innovative Materialien simulativ getestet und bestehende Regelwerke hinterfragt. Die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft (Wiederverwendung, Up- und Recycling, nachwachsende Rohstoffe) bilden dabei eine zentrale Grundlage.
Die wissenschaftlich und partizipativ entwickelten Erkenntnisse aus AP3 werden in AP4 konkretisiert und in der Realität angewendet. In einem kreativen Werkstatt- und Wettbewerbsverfahren werden Planungsansätze generiert und Co-Creation in Planungs- und Entscheidungsprozesse integriert.
Die Erkenntnisse der Konzeptphase begleiten, dokumentieren und evaluieren den gesamten Planungs- und Bauprozess der modellhaften Revitalisierung.
Für die Erdgeschossbereiche werden temporäre Nutzungsszenarien entwickelt. Der „Raum der Möglichkeiten“ wird dabei stufenweise ausgebaut und in allen Leistungsphasen durch die Hochschule Anhalt fachlich betreut.
Das AP4 gliedert sich in folgende Teilbereiche:
AP 4.1 – Um- und Ausbau-Szenarien für die ZEKIWA-Bestandsgebäude
AP 4.2 – Innovative nachhaltige Energie- und TGA-Konzepte
AP 4.3 – Neue Wege in der Denkmalpflege
AP 4.4 – Modellhafte bauphysikalische Berechnungen innovativer Materialien und Konstruktionen
AP 4.5 – Modellhafte Revitalisierung des ZEKIWA-Areals (Teilbauprojekte A-E)
AP 4.6 – Temporäre und permanente Raumnutzung in den Erdgeschossen
Im AP5 bildet die Akteurswerkstatt das zentrale Instrument zur partizipativen Entwicklung des ZEKIWA-Areals. Ziel ist es, lokale und regionale Akteure aktiv in einen co-kreativen Prozess einzubinden, der eine ressourcenschonende, produktive und gemeinwohlorientierte Quartiersentwicklung ermöglicht. Das Areal wird dabei in einen größeren landschafts- und stadträumlichen Zusammenhang gestellt, um seine ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Potenziale umfassend zu aktivieren.
In einem mehrstufigen Verfahren werden zunächst vorhandene Akteursstrukturen analysiert und gemeinsam Ideen und Nutzungsperspektiven erarbeitet. Ein begleitender Lernprozess sowie Formate des Wissensaustauschs stärken das gemeinsame Verständnis für nachhaltige Transformation. Ziel ist die Etablierung tragfähiger Kooperationen, die sich in konkreten (Zwischen-)Nutzungen und sichtbaren Zeichen im Stadtraum niederschlagen.
Thematische Schwerpunkte liegen auf der Entwicklung zirkulärer Energie- und Stoffstrukturen (z. B. solare Freiflächen, Flusswärme, multicodeierte Energieflächen), der Aktivierung ökologischer Potenziale (u. a. Biodiversitätsflächen, Regenwassermanagement, Phytoremediation) sowie der gestalterischen Qualifizierung des öffentlichen Raums. Ein flexibler Rahmenplan entsteht als informelles Planungsinstrument und wird in enger Abstimmung mit Stadt, Zivilgesellschaft und Fachplanenden weiterentwickelt. Teilmaßnahmen gehen bereits in konkrete Umsetzung über und schaffen erste prototypische Interventionen.
Das AP5 gliedert sich in folgende Teilbereiche:
AP 5.1 – Lokale Akteure und Nachbarschaft
AP 5.2 – Stoffkreisläufe und Energieinfrastruktur
AP 5.3 – Ökologische Potenziale und Herausforderungen
AP 5.4 – Städtebauliche Szenarien, Raumbild und Rahmenplan
AP 5.5 – Realisierung von Zeichen – NEB Placemaking
AP 5.6 – Umsetzung von Teilvorhaben im Quartier