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More InformationDas Reallabor ZEKIWA Zeitz (RZZ) entsteht auf dem historischen Areal der ehemaligen Kinderwagenfabrik ZEKIWA, einem Ort, der über ein Jahrhundert lang die Industriegeschichte der Stadt geprägt hat und heute sinnbildlich für die Herausforderungen des Strukturwandels steht. Das Areal liegt in der Zeitzer Badstubenvorstadt, einem innerstädtischen Quartier, das sich vom ZEKIWA-Gelände über angrenzende Bereiche bis in die Elsteraue erstreckt. Dieses Quartier bildet einen zentralen Übergangsraum zwischen Innenstadt und ehemaligem Industrieareal. Die beiden historischen ZEKIWA-Gebäude stellen die zentrale räumliche und visuelle Landmarke für das umgebende Quartier dar.
Zeitz befindet sich im Weißenfelser Braunkohlerevier. Die Region wurde fast 150 Jahre vom Braunkohlebergbau geprägt, was zu einer radikalen Umgestaltung der ehemals ländlichen Umwelt führte und das Arbeits- sowie Gemeinschaftsumfeld der Menschen in der Region prägte. Der industrielle Strukturbruch der 1990er Jahre und der anstehende Kohleausstieg stellt die Stadt – wie viele Bergbau- und Energieregionen in Europa – vor tiefgreifende ökologische, soziale und kulturelle Herausforderungen. Das RZZ greift diese Ausgangslage im Umfeld eines teilweise noch aktiven Tagebaus auf und untersucht, wie Innovation, Beteiligung und Bildung den Strukturwandel im Sinne des European Green Deal unterstützen können. Vor diesem Hintergrund nutzt das Reallabor das ZEKIWA-Quartier, um neue Wege für nachhaltiges Bauen, kulturellen Wandel, gemeinschaftliches Zusammenleben und eine zukunftsgerichtete Stadtentwicklung zu erproben.
Im RZZ arbeiten Wissenschaft, Gestaltung, Stadtverwaltung, Zivilgesellschaft und lokale Initiativen eng zusammen. Diese transdisziplinäre Zusammenarbeit schafft ein Experimentierfeld, in dem Ideen nicht nur entwickelt, sondern direkt vor Ort mit den Menschen in Zeitz getestet werden. Das Reallabor versteht Bauen als gesellschaftlichen Prozess: Es verbindet die bauliche Revitalisierung und energetische Erneuerung des Industriedenkmals mit Prozessen, die Gemeinschaft, Gestaltung und kulturelles Lernen stärken. Materielle, soziale, kulturelle und digitale Aspekte greifen ineinander. Räume werden instandgesetzt, Nutzungen erprobt und gleichzeitig neue Formen der Zusammenarbeit, des Wissensaustauschs und der kulturellen Teilhabe aufgebaut.
Das RZZ wird von einem multidisziplinären Verbund aus der Hochschule Anhalt, der Stiftung Bauhaus Dessau, der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, dem Forum Rathenau e. V. und der Stadt Zeitz getragen. Die Vielfalt der beteiligten Institutionen bildet die Grundlage für einen offenen, inklusiven und experimentellen Prozess. Das Projekt wird durch die Europäische Union und das Land Sachsen-Anhalt über den Just Transition Fund (JTF) gefördert und orientiert sich an den Leitideen des Neuen Europäischen Bauhaus: SCHÖN, NACHHALTIG, GEMEINSAM.
Das RZZ verfolgt das Ziel, das historische Fabrikareal der ehemaligen Kinderwagenproduktion zu einem offenen Modellraum zu entwickeln, in dem räumliche, soziale, kulturelle und ökologische Zukunftsfragen gemeinsam mit der Stadtgesellschaft erprobt und weiterentwickelt werden. Das RZZ versteht Bauen als ein Zusammenspiel von räumlichen, sozialen, kulturellen und ökologischen Prozessen. Die inhaltliche Arbeit gliedert sich in sechs miteinander verflochtene Themenschwerpunkte:
Gebäudereaktivierung und räumliche Transformation
Das historische ZEKIWA-Areal wird schrittweise revitalisiert und zukunftsfähig gemacht. Die denkmalgeschützten Industriegebäude und das ehemalige Hauptgebäude werden baulich gesichert, räumliche Potenziale geprüft und technisch wie finanziell realisierbare Um- und Ausbauszenarien entwickelt. Flexible Nutzungskonzepte, minimalinvasive Eingriffe und nachhaltige Sanierungsstrategien bilden die Grundlage, um robuste Räume für gemischte Nutzungen zu schaffen und traditionelle Modelle hin zu offenen, gemeinwohlorientierten Ansätzen weiterzuentwickeln. Parallel entstehen temporäre Nutzungsszenarien für den „Raum der Möglichkeiten“ im Erdgeschoss des ZEKIWA-Hauptgebäudes, die im Sinne eines Reallabors erprobt werden. Dieser nutzungsoffene „Raum der Möglichkeiten“ wird stufenweise ausgebaut und mit Entwürfen für Innenausbau, Möbelgestaltung und prototypischen Elementen begleitet. Seine Entwicklung bildet einen wichtigen Baustein auf dem Weg hin zu einem dauerhaft tragfähigen Nutzungs- und Betreiberkonzept für das gesamte Areal.
Materialien, Kreislaufwirtschaft und digitale Werkzeuge
Eine Materialdatenbank, ein digitaler Zwilling und lokal gedachte Stoffkreisläufe schaffen die Grundlagen für ressourcenschonendes Bauen. Digitale Werkzeuge dienen zudem als Brücken zwischen Wissen, Gestaltung und Beteiligung. Das RZZ erforscht nachhaltige Materialien, zirkuläre Bauprinzipien und klimaadaptive Fassadenlösungen, die unter anderem als Rezyklatfassaden, vertikale Wildgärten sowie exemplarische Möbelbau-Innovationen entwickelt werden. Prinzipien der Kreislaufwirtschaft wie Wiederverwendung, Upcycling, Recycling und der Einsatz nachwachsender Rohstoffe bilden eine zentrale Grundlage. Im Reallabor werden eine Materialdatenbank, ein digitaler Zwilling und digitale Werkzeuge zur Visualisierung möglicher Nutzungsszenarien aufgebaut, die langfristig mit der Bürger:innen-App verknüpft werden. Ziel ist ein ressourcenschonendes Bauen, das technische Innovationen mit lokaler Wertschöpfung und Partizipation verbindet.
Partizipation und Mitgestaltung
Das RZZ setzt auf offene und kontinuierliche Beteiligung der Zeitzer Bevölkerung, um Stadtentwicklung transparent und gemeinschaftlich zu gestalten. Ein zentrales Instrument hierfür ist die Akteurswerkstatt, in der lokale und regionale Akteure gemeinsam Ideen, Nutzungsperspektiven und räumliche Szenarien entwickeln. Workshops, Co-Creation-Prozesse und der Einsatz digitaler Tools ermöglichen Mitsprache und vermitteln Wissen über nachhaltige Transformation. Eine Bürger:innen-App unterstützt digitale Teilhabe und erlaubt Abstimmungen zu Stadterneuerungsprozessen und konkreten Teilvorhaben. Partizipation wird so zu einem festen Bestandteil des RZZ und stärkt lokale Verantwortung und Identität. Ergänzend werden Akteursstrukturen systematisch analysiert und durch Lernprozesse, Wissensaustausch und prototypische Interventionen im Stadtraum erweitert. Dabei geht es um experimentelle, flexible Zwischennutzungen, die sichtbare Zeichen im Quartier setzen und Stoffkreisläufe, Energieinfrastrukturen sowie städtebauliche Optionen erfahrbar machen.
Bildung, Kultur und künstlerische Praxis
Kulturelle Bildungsangebote, die Arbeit der Bauhaus Agent:innen sowie weitere inklusive, generationsübergreifende Formate verbinden Kunst, Forschung und alltägliche Praxis. Die Bauhaus Agent:innen wirken in Schulen, öffentlichen Räumen sowie in Ausbildungs- und Betriebskontexten und stärken Kompetenzen zur Umweltwahrnehmung und gestalterischen Selbstwirksamkeit, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen und weiteren politisch unterrepräsentierten Gruppen. Im RZZ entstehen mit den Transfer-Residenzen künstlerisch-gestalterische Zugänge zur Nachhaltigkeit. Kunstschaffende und Designer:innen leben und arbeiten drei Monate in Zeitz, entwickeln neue Perspektiven auf die Prozesse vor Ort und präsentieren ihre Ergebnisse öffentlich. Ergänzend finden Vorträge und Workshops zu Nachhaltigkeit und Wissenstransfer statt. Das internationale Summercamp 2026 macht kulturellen Wissenstransfer sichtbar, fördert generationsübergreifendes Lernen und stärkt Zukunftskompetenzen in Zeitz und der Region.
Stadtökologie, Landschaft und Quartiersentwicklung
Die ökologischen Potenziale des ZEKIWA-Areals werden systematisch aktiviert und in einen größeren stadt- und landschaftsräumlichen Kontext eingebettet. Biodiversitätsflächen, klimaresiliente Freiraumstrukturen, Regenwassermanagement und solare Freiflächen werden mit energie- und stoffkreislaufbasierten Konzepten verknüpft. Neue Freiraumqualitäten entstehen im multicodierten öffentlichen Raum durch prototypische Teilmaßnahmen. Die gewonnenen Erkenntnisse werden zur resilienten Quartiersentwicklung gebündelt. So werden Grundlagen für lebendige Stadtstruktur und zukunftsfähige Landschaft mithilfe von sichtbaren Interventionen und experimentellen Nutzungen geschaffen.
Forschung, Dokumentation und europäische Vernetzung
Die wissenschaftliche Begleitforschung untersucht die Resonanz und Wirkungen des Projekts. Für die Aufbereitung und Kontextualisierung von Forschungsergebnissen entsteht im ZEKIWA-Hauptgebäude ein Ort für die Archivierung strukturwandelbezogener Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Neuen Europäischen Bauhaus. Die Daten und Forschungsergebnisse werden in Form von Ausstellungen, Vorträgen und Berichten für die Öffentlichkeit aufbereitet. So werden die Umsetzung der Grundpfeiler des NEBs sichtbar gemacht. Europäische Netzwerke werden aufgebaut und gestärkt und der Wissensaustausch und -transfer zwischen europäischen Kohle- und Energieregionen und der Raumentwicklungspraxis gefördert. Ziele sind ästhetisch ansprechende und sozial inklusive Nachhaltigkeitsstrategien sowie deren Übertragbarkeit auf weitere Regionen. Internationale Formate wie das Summercamp, die Crowd Innovation Challenge und weitere Austauschformate verbinden lokale Erfahrungen mit globalem Wissen und ermöglichen wechselseitiges Lernen.
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